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Kommentar

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Betreff: Flexiblere oder festere Wechselkurse
von: Wolfgang Filc  
E-mail: filc@uni-trier.de

Nach Wicksell besteht die Funktion von Wechselkursänderungen im Ausgleich von Inflations- oder Lohnstückkostendifferenzen.
Selbstverständlich stimme ich im Regelfall dieser Sichtweise zu. Aber eben nicht in jedem einzelnen Fall. Wozu sonst die Vielzahl von Untersuchungen zu Bestimmungsgründen realer Wechselkursänderungen, so das Dornbusch-Overshooting-Modell von 1979, die Ausweitung der makroökonomischen Portfoliotheorie des Wechselkurses um Ertragsraten von Realaktiva, unterschiedliches Tempo technischer Innovation, die ein zeitlich begrenztes Quasi-Monopol zur Folge haben können?

Reduziert man den Wechselkurs allein auf die Aufgabe, Inflationsdifferenzen oder Lohnstückkostenunterschiede auszugleichen, so muß angenommen werden, daß alle anderen Faktoren, die als Ursachen realer Wechselkursänderungen angeführt wurden, keine Rolle spielen. In der Sicht von Wicksell mag das gegeben sein. Aber er achtet allein auf den internationalen Leistungsverkehr. Das greift heute zu kurz. Es ist nicht Starrsinn, der viele Ökonomen veranlaßt, an der steten Gültigkeit dieses Ansatzes Zweifel zu äußern. Nein, ich meine, daß man der wichtigen,richtigen und guten Idee, Wechselkursänderungen eine Führung zu geben,schadet, wenn man allzu rigide darauf beharrt, reale Wechselkursänderungen in jedem Fall auszuschalten. Der Kapitalverkehr ist zu berücksichtigen,Wicksell und Flassbeck unterlassen das aber.

Diese Kritik steht nicht im Widerspruch zu der Vermutung, daß der Versuch der Stabilisierung des Preisniveaus durch Fixierung nominaler Wechselkurse ein wesentlicher Auslöser für die Krise in asiatischen Ländern 1997 war. Es kann falsche reale Wechselkurse geben, es kann auch falsche nominale Wechselkurse geben. Es sollte darum gehen, beides zu vermeiden. Daß das eine besonders schwieriges Aufgabe ist, ist nicht besonders zu betonen.

Das Zahlenbeispiel auf Seite 12 vermag nicht zu überzeugen. Dabei geht es weniger um die Zahlenwerte. Steigerungsraten der Lohnstückkosten sind nicht mit allgemeinen Preissteigerungen gleichzusetzen. Ich muß Dir das nicht erklären. Aber das ändert nichts an der Aussage, daß in dem gewählten Beispiel unterschiedliche Preissteigerungsraten in beiden Ländern zu verzeichnen sind. Warum braucht man dann Wechselkursänderungen? Bleiben die nominalen Wechselkurse unverändert, so würde sich, wie dargestellt, eine dauerhafte reale Aufwertung der Länder mit höherem Wirtschaftswachstum ergeben. Das ist ein statistischer Artefakt. Aber in der Statistik stellt sich das nun einmal als reale Aufwertung einer Währung mit höherem Wirtschaftswachstum dar. Orientiert man sich ausschließlich an Änderungen nominaler Wechselkurse und Unterschieden des statistisch gemessenen Inflationstempos, dann gelangt man zum Ergebnis, daß Wechselkurs- korrekturen notwendig sind, obgleich dies tatsächlich nicht der Fall ist. Noch einmal: bei festen nominalen Wechselkursen verändern sich die realen Wechselkurse, obgleich das, in der Tat, kein ökonomisches Problem darstellt.

Aber genau das muß doch thematisiert werden. Es ist zu fragen, worauf reale Wechselkursänderungen zurückzuführen sind, in diesem Fall ausschließlich auf realwirtschaftliche Unterschiede der Länder, nämlich unterschiedliches Wirtschaftswachstum. Ich sehe nicht, wie das zu einem Dissens führen kann. Und vielleicht war die reale Aufwertung einiger Währungen Südostasiens vor dem Crash auf die Expansion im Bereich handelbarer Güter mit hohem Produktivitätsfortschritt zurückzuführen, bei gleichzeitigem Zurückbleiben des Produktivitätswachstums in Bereichen nichthandelbarer Güter.

 Ist das völlig unplausibel? Schaut man sich in Japan um, vergleicht man dort die Preise nichthandelbarer Güter mit jenen handelbarer Güter, so fällt die Diskrepanz zwischen hohem Preisniveau von Binnenhandelsgütern und geringen Preisen international handelbarer Güter auf. Reale Aufwertungen des Yen um 80 % sollen damit nicht rationalisiert werden. Aber es ist schon die Frage, ob statistisch ausgewiesene reale Aufwertungen einiger Krisenländer von vielleicht 5 oder 8 % hauptsächliche Krisenursache waren.

 Das ist kein Votum für flexible Wechselkurse. Ich muß nicht besonders betonen, daß ich von der Effizienz sich selbst überlassener Devisenmärkte, wie immer gemessen, nichts halte. Aber ich meine, daß man dem Ziel, die Dynamik der Wechselkurse in mittleren Fristen gemäß ökonomischen Effizienzüberlegungen zu gestalten, nicht näher kommt, wenn man darauf beharrt, unter allen Umständen auch dann reale Wechselkursänderungen zu vermeiden, wenn sie auf unterschiedliche realwirtschaftlichen Entwicklungen der Länder zurückzuführen sind. Im Grunde wird das im zweiten Satz des zweiten Absatzes von Seite 14 auch deutlich.

 Ich kann die Schlußfolgerung sofort übernehmen, daß der Wechselkurs nicht ausschließlich dem Markt überlassen bleiben darf. Auch teile ich die Analogie zur Stabilisierung des Binnenwerts des Geldes. In beiden Fällen bedarf es bestimmter Regeln, die von außermarktmäßigen Institutionen vorzugeben sind.